Hausbesuche der Zukunft – Warum wir Hausbesuche als essenziellen Bestandteil in unseren Praxisalltag integrieren sollten.

Foto: privat

Es zeigt sich ein deutlicher Trend: Die Anzahl an Hausbesuchen durch Hausärzte geht in den vergangenen Jahren immer weiter zurück. Innerhalb der vergangenen 10 Jahre ist die Zahl der Hausbesuche um 25% gesunken, so schrieb die „Rheinpfalz“ in einem Artikel im Juni 2023. Die Gründe dafür sind vielfältig: Steigende Patientenzahlen pro Arzt, weite Anfahrtswege durch größer werdende Versorgungsgebiete aufgrund von Ärztemangel insbesondere in ländlichen Regionen, ein zu großer Zeitaufwand bei einer verhältnismäßig zu geringen Vergütung.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung stellt sich die Frage: Brauchen wir Hausbesuche im Zeitalter der modernen Medizin noch?

Die Antwort ist ein ganz klares Ja!

Ältere Patienten können oft bei zunehmender Gebrechlichkeit und Multimorbidität sowie Immobilität den Weg in die Praxis nicht mehr bewältigen. Fast 80% der Hausbesuchspatienten sind älter als 75 Jahre, so die Ärztezeitung. Gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels wird in den kommenden Jahren die Zahl der Patienten, die auf Hausbesuche angewiesen sind, noch weiter zunehmen. Zwar setzen sich immer mehr digitale Ansätze wie beispielsweise Videosprechstunden durch, jedoch fehlen bei diesem Patientenkollektiv oftmals die technischen Ressourcen und praktische Fähigkeiten in der Anwendung solcher Konzepte. Als Unterstützung können sie dennoch dienen – dies zeigt sich zunehmend in Pflegeheimen.  Eine Ausstattung der Einrichtungen mit Tablets kann genutzt werden, um bei akuten Fragestellungen mit Unterstützung durch das Pflegepersonal einen Arzt-Patienten-Kontakt per Video zu ermöglichen, ohne dass das ärztliche Personal erst einen Fahrtweg auf sich nehmen muss. Oft reicht schon der kurze Kontakt per Videosprechstunde aus, um einen Eindruck vom klinischen Zustand des Patienten zu gewinnen und abzuschätzen, inwiefern ein „physischer“ Hausbesuch angeschlossen werden sollte, um weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen einzuleiten. 

Hausbesuche zur Früherkennung

Ein weiteres Konzept, was zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist das Konzept der „präventiven Hausbesuche“. Der Fokus dieses Ansatzes liegt darauf, durch gezielte, regelmäßige Hausbesuche eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder auch eine Versorgungsproblematik bei geriatrischen Patienten frühzeitig erkennen zu können und somit vor dem Eintreten von Akutereignissen intervenieren zu können. Die Hausbesuche müssen nicht immer durch das ärztliche Personal selbst durchgeführt werden, sondern können auch an nicht-ärztliches Personal wie NäPA (Nicht-ärztliche Praxisassistenten) delegiert werden. Dr. Jonas Hofmann-Eifler, Allgemeinmediziner in Rheinzabern, praktiziert dieses Konzept schon seit mehreren Jahren und schätzt die Vorteile dieser Form der Prävention sehr. „Durch präventive Hausbesuche lassen sich aus meiner Erfahrung viele Krankenhauseinweisungen verhindern“, so Hofmann-Eifler. „Man sieht den Patienten in seinem häuslichen Umfeld und bekommt so einen deutlich besseren Eindruck über die häusliche Versorgungssituation. Anhand dessen kann man den Unterstützungsbedarf einschätzen und mögliche Risiken früherkennen. Besteht ein relevantes Sturzrisiko, weil zum Beispiel überall in der Wohnung Teppiche liegen? Kann ich durch die Verordnung von Hilfsmitteln oder einen ambulanten Pflegedienst die Selbstständigkeit im häuslichen Umfeld unterstützen und meinen Patienten auf diese Weise ermöglichen, dass sie noch lange in der eigenen Wohnung zurechtkommen? Das alles sind Eindrücke, die man nur auf einem Hausbesuch sammeln kann und die bei einem normalen Praxisbesuch oftmals nicht thematisiert oder offensichtlich werden.“

Neben der rein medizinischen Komponente fließen so auch sozial- und präventivmedizinische Aspekte in die Versorgung der Patienten mit ein. Der Hausarzt als langjährige Vertrauensperson des Patienten erlangt durch den Kontakt im häuslichen Umfeld viele neue, wichtige Informationen über dessen soziale Situation und kann somit den Unterstützungsbedarf und die Ressourcen des Patienten hinsichtlich verschiedener Therapien umfassender bewerten und Therapieoptionen gegeneinander abwägen. Auf diese Weise wird der Hausbesuch zu einem äußerst wichtigen Bestandteil der hausärztlichen Arbeit und fügt sich in ein ganzheitliches, umfassendes Konzept der Patientenbetreuung ein.

Luisa Bade

Weiterführende Informationen

  1. Sterben Hausbesuche aus? (Die Rheinpfalz, 01.06.2023, Originalartikel)

  2. Viele Ärzte zu Hausbesuchen nicht mehr bereit (Ärztezeitung, 16.05.2023)


 
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